Im dritten Anlauf hat es geklappt. Die Videonale 2020, geplant für den Herbst des letzten Jahres, konnte ein Jahr später schließlich stattfinden. Die Corona-bedingte Pause war auch künstlerisch eine Zäsur für die Ebersberger Wettbewerbsfilmer. Fast die Hälfte aller Teilnehmer hatte sich Sujets in der näheren Umgebung gesucht. Es ging vom Chieminger Gemeindehaus über ein Rosenheimer Bierzelt bis hin zu kaleidoskopartig verfremdeten Ansichten von München. Das inoffizielle Motto lieferte Peter Rohmfeld, Leiter der traditionsreichen Filmgruppe am Gymnasium Markt Schwaben. „Leise Schönheit“ ist eine dreiminütige Meditation über eine bayerische Seenlandschaft. Müssen wir in die Ferne schweifen, wenn die Schönheit so greifbar vor unserer Haustür liegt, fragt der Film.
Damit überzeugte der Filmemacher nicht nur sein Publikum im Alten Speicher. „Leise Schönheit“ wurde im April 2021 in Dortmund zum besten Ultra-Kurzfilm Deutschlands gekürt.
Nicht nur Romfelds Film machte Furore, während er selber zuhause bleiben musste. Auch Erich Heucke sowie Ilke und Toni Ackstaller konnten nationale und internationale Trophäen einheimsen.
So geriet die Videonale zum Festival der Preisgekrönten.
Ilke und Toni Ackstaller finden die Schönheit selten vor der Haustür, sondern doch eher in der weiten Welt. Sie filmen immer gemeinsam und tauschen dabei ständig die Rollen. Mal hat sie die zündende Filmidee, mal ihr Partner. Auf ihrer letzten gemeinsamen Reise vor der Pandemie wurde Ilke Ackstaller in Südamerika vom Schicksal des Nationalpark-Pioniers Douglas Tompkins gefangen genommen. Der Unternehmer machte Millionen mit outdoor-Bekleidung, kaufte riesige Landstriche im Süden Argentiniens und Chiles auf und übergab sie den Regierungen mit der Auflage, sie für alle Zeiten als Nationalparks zu erhalten.
Ilke Ackstaller hat ihm mit langen ruhigen Aufnahmen der grandiosen Landschaft ein Denkmal gesetzt. Denn 2015 verunglückte der Umweltpionier tödlich. Sein Kajak kenterte im Sturm auf einem See, mitten in einem der Nationalparks, die sein Lebenswerk waren.
Toni Ackstaller ist ein Symphoniker der Farben. 2017 hat er den Geist Neuseelands eingefangen – in unzähligen Schattierungen von Grün. In jeder Einstellung von „150 Shades of Green“ spielt die Farbe eine Hauptrolle, ohne dass der Film jemals eintönig wirkt. Die kongeniale Musik (Armand Amars „La Terre vue du Ciel“) trägt das ihre bei zu einem achtminütigen fast surrealen Filmerlebnis.
Das beeindruckte auch die Jury eines internationalen Filmfestivals, die 2020 Toni Ackstaller mit dem UNICA-Award auszeichnete.
Ein weiterer Film führte in eine wenig bekannte Weltgegend, die heute im Bürgerkrieg versinkt. Das Porträt der ostäthiopischen Stadt Harar lebt wieder von Farbenpracht, diesmal der orientalischen. Wir streifen mit Toni Ackstaller durch die Basare dieser heiligen muslimischen Stadt, die UNESCO-Weltkulturerbe ist. Doch sein Film erschöpft sich nicht in touristischen Perspektiven. Im Mittelpunkt steht ein Raubtier mit sehr schlechtem Ruf – die Hyäne. Diese Schleichkatzen ziehen nachts in Rudeln umher und greifen mit ihren scharfen Zähnen sogar Menschen an. Überall sind sie gefürchtet in Afrika – nur nicht in Harar. Dort werden sie im Gegenteil eingeladen, nachts durch die gänzlich ummauerte Stadt zu streifen. Die Einwohner haben einen Weg gefunden, um den Hunger der leidenschaftlichen Aasfresser in nützliche Bahnen zu lenken. Die Hyänen von Harar interessieren sich nicht mehr für lebendige Menschen als Nahrungsquelle, seit sie freien Zugang zu deren Fleischabfällen haben. Ackstaller zeigt, wie sie nachts vor den Toren der Stadt regelrecht angefüttert werden.
Auch die Klimakrise bedroht die menschliche Existenz, freilich in ganz anderen Dimensionen als die Hyänen von Harar. Erich Heucke gelang es durch einen Zufall, die Größe der Bedrohung fassbar zu machen, sie zu bebildern. Und das, obwohl sein Film, man kann es gar nicht anders sagen, eine Idylle zeigt. Zweimal im Abstand von zehn Jahren hatte Heucke die Chance, eine Forschungsstation im Kaukasus zu besuchen, die an einem Gletscher im Elbrus-Gebirge liegt. Beide Male nahm er seine Kamera mit. So wurde er zum Chronisten einer rasanten Veränderung.
Wo 2008 nichts war außer Geröll und Eis, wuchsen 2019 – Himbeeren. Und auch der Kaukasus-Rhododendron war den Berg hochgeklettert. Man findet ihn heute 150 Meter höher als 2008.
Kleine Beobachtungen aus einer vergessenen Ecke der Welt werden zum Synonym für die größte Naturkatastrophe seit Tausenden von Jahren. Für diese Leistung erhielt Erich Heucke eine Goldmedaille beim Bundesfestival Dokumentarfilm und einen Deutschen Filmpreis.
Autorin: Claudia Peter